Das Gemälde von Johann Walter (bekannt auch unter dem Namen Johans Valters, Jānis Valters, Johann Walter-Kurau) „Badende Jungen“ (Peldētāji zēni) ist ein Beispiel des späten Impressionismus, ein sehr feines und gefühlvolles Bild. Mit Hilfe von Licht und Schatten gelingt es dem Maler, eine alltägliche Szene wie ein Wunder zu zeigen. Die Gestalten der Jungen tauchen in ein schimmerndes Licht ein, das Wasser glimmert, die Stimmung scheint die Grenzen des Wahrnehmbaren zu überschreiten.
Die Darstellung von glänzenden Wasseroberflächen war ein beliebtes Motiv des französischen Impressionismus der 70er Jahre im 19. Jahrhundert. Die Maler arbeiteten in freier Natur, in der man die Schattierungen von Licht und Kontrasten erfassen konnte. Auch Johann Walter hat diese Richtung in der Malerei kennen und schätzen gelernt, als er im Frühling 1898 die europäischen Kunststädte Berlin, Paris, Wien, Straßburg und Mailand bereiste.
Die Suche nach Harmonie und Leichtigkeit, die z. B. in den Variationen des Lichtspiels an den Wasseroberflächen zum Ausdruck kommt, hat auch mit der Musikalität des Malers zu tun. In seiner Kindheit lernte er Geige spielen und blieb sein ganzes Leben diesem Instrument ergeben. Vor der Jahrhundertwende hat er als Präludium zu seinen „Badenden Jungen“ u. a. die Bilder „Die Wellen“ (Viļņojošs ūdens, 1989), „Die Enten“ (Pīles, 1898) und „Der Strand (Ruhiges Meer)“ (Jūrmala (Rāma jūra)) gemalt. Um 1900 begann Walter sehr empfindsame und lakonische Bilder mit badenden Jungen zu malen, von 1899 bis 1926 entstand eine Serie von solchen Arbeiten. In dieser Zeit gab es in der Kunst Interesse an der Darstellung der biologischen Natur des Menschen. Mit diesen Bildern nahm Johann Walter an der dritten Ausstellung der Berliner Sezession (1901) und der vierten Ausstellung von „Mir iskusstva“ (Die Welt der Kunst, 1902) teil.
Die in den Kanon aufgenommene Variation der „Badenden Jungen“ ist im Lettischen Nationalmuseum der Künste zu sehen. Umrahmt durch schimmerndes Wasser im sonnendurchstrahlten Bild stehen die drei Jungen mit dem Rücken zum Betrachter, als wären sie ein Teil des glänzenden Lichts, das sich im Wasser spiegelt. Walter konnte mit einfachen und lakonischen Mitteln eine abstrakte Naturszene mit introvertierter Stimmung schaffen, die über viele Jahrzehnte sowohl die Kunstkritiker als auch das Publikum bezaubert hat.
Johann Walter gehört zusammen mit Janis Rozentāls (1866–1916) und Vilhelms Purvītis (1872–1942) zu den Gründern der lettischen Malerei. Geboren in Jelgava (Mitau), in der Familie des Kaufmanns und Stadtrats Teodors Valters, studierte er wie viele angehende Maler dieser Zeit an der Kaiserlichen Kunstakademie von Petersburg (1889–1897) und wurde dort Leiter der Gruppe lettischer Maler „Rūķis“. Er war von der Diplomarbeit seines Kommilitonen Janis Rozentāls inspiriert und schloss wie dieser die Akademie mit der Darstellung seiner Heimatstadt, bekannt unter dem deutschen Titel „Markt in Mitau“ (Tirgus Jelgavā) ab. Nach dem Studium kehrte er nach Jelgava zurück und war dort auch als Kunstlehrer tätig. Zu seinen Schülern und Nachfolgern zählen die herausragenden lettischen Künstler Ģederts Eliass und Sigismunds Vidbergs. In Jelgava hielt Johann Walter Vorträge über die Kunst und veranstaltete zusammen mit Vilhelms Purvītis eine Kunstaustellung.
In seiner Laufbahn entwickelte er sich vom Realisten zum Impressionisten, später faszinierte ihn der Symbolismus und der Jugendstil, in seiner späteren Schaffenszeit fanden sich auch expressionistische Tendenzen in seinen Werken.
In den Turbulenzen der Revolution von 1905, als viele Intellektuelle mit einer Petition an den Zaren mehr Menschenrechte forderten, setzte er genauso wie sein Malerkollege Vilhelms Purvītis seine Unterschrift nicht unter diese Petition. Walter wurde deswegen von einigen Intellektuellen und Malern gemieden und zog 1906 nach Deutschland um. Er setzte seine künstlerische Laufbahn unter dem Namen Johann Walter-Kurau fort, um seine Verbindung zu der deutschbaltischen Familie seiner Mutter, geboren Kurau, hervorzuheben. Unter diesem Namen wurden seine Bilder in Dresden, Berlin, Frankfurt am Main, Karlsruhe, Königsberg, München, Rom und anderen Orten ausgestellt. Zehn Jahre lebte er in Dresden, von 1916/17 bis zu seinem Tod 1932 in Berlin, wo er auch begraben ist.
Ilze Plaude