Das Gemälde von Ģederts Eliass „Am Brunnen“ („Pie akas“) ist sowohl eine realistische Darstellung des für Lettland charakteristischen Einzelgehöfts als auch ein Beispiel für die Moderne mit ihrer Vielfältigkeit der Farbenvariationen. Es ist ein für den Fauvismus typisches Gemälde der 30er Jahre des 20. Jahrhunderts, als gerade die Farbe als die individuelle Ausdruckmöglichkeit des Künstlers angesehen wurde.
Eliass hat in einer expressiven Maltechnik mehrere Farbkombinationen in Beziehung zueinander gesetzt, so entsteht ein Kontrast zwischen dem Smaragdgrün des Grases und der Baumkronen einerseits und der roten Akzentuierung des Dachs und der Bluse der Frau andererseits. In der Weite sieht man den ruhig blauen Himmel und die aufkommenden indigoblauen Gewitterwolken. Das Weiß der Kastanienblüten steht in Verbindung mit den weißen Flecken der Kuh. Auf diese Weise entstehen ein ausdrucksstarkes Zusammenspiel der Farben und eine dramatische Spannung.
Das bäuerliche Leben und die Natur waren in der Kunst, Literatur und Musik der 20er und 30er Jahre Quelle unendlicher Inspirationen. Eliass hat in seiner Kunst sein eigenes Zuhause in Öl, Wasserfarbe und Pastell gezeigt.
Er war Sohn reicher Bauern aus Semgallen, die alle vier Kinder an Hochschulen in Brüssel und Paris schickten, was für diese Zeit ungewöhnlich war. Seine erste Ausbildung als Maler gewann er als Privatschüler des lettischen Malers Vilhelms Purvītis (1872–1945) in Riga, dadurch entstand sein Interesse an der Naturmalerei. Danach studierte er Malerei und Bildhauerei an der Brüsseler Königlichen Kunstakademie (1908–1913) und in Paris, in der Werkstatt von Jean-Paul Laurent (1913–1914). Als 1914 der Erste Weltkrieg begann, kehrte er nach Riga zurück, 1916–1917 hielt er sich in Moskau auf. Von 1925 bis 1953 leitete er eine Meisterklasse an der Lettischen Kunsthochschule.
Eliass probierte zu Beginn seiner Laufbahn alle Richtungen der klassischen Moderne aus, kehrte aber bereits in der zweiten Hälfte der 20er Jahre zum Realismus zurück. Er malte auch Porträts, Akte und Stillleben. Eliass wurde mehrfach mit lettischen Kunstpreisen ausgezeichnet, ihm wurde auch der belgische Orden Leopolds II (1927) für herausragende Leistungen in der Kunst verliehen. Er hat zusammen mit seinem Bruder, dem Kunsthistoriker Kristaps Eliass (1886–1963) das Buch „Neue französische Malerei“ („Franču jaunlaiku glezniecība“, 1940) veröffentlicht.
In dem Haus, in dem Ģederts Eliass aufgewachsen ist, „Zīlēni“ in der Nähe von Jelgava, befindet sich heute ein Museum. In diesem Museum sind Bilder von ihm und seinem Bruder Kristaps zu sehen.
Das Gemälde „Am Brunnen“ befindet sich im Lettischen Nationalmuseum der Künste.
Ilze Plaude