Der Fluss Gauja fließt in Vidzeme (Livland) vom Hochland Vidzeme über Valmiera durch den Gauja-Nationalpark und mündet in die Rigaer Bucht.
Oberhalb von Valmiera an der Mündung des Nebenflusses Abuls wird das Flusstal tiefer, an den sandigen Ufern bilden sich Felsformationen und viele Höhlen. Das Tal ist 1 bis 2,5 km breit, weist in der Nähe von Sigulda eine Tiefe von 85 Metern. Es bildet den Hauptbestandteil des Gauja-Nationalparks, der seit den 1920er Jahren existiert und 1973 seine heutigen Grenzen erhielt. Das Gauja-Tal ist das größte zusammenhängende Naturschutzgebiet im Baltikum. Abseits von Gauja und ihrer Nebenflüsse erstreckt sich eine hügelige, an vielen Stellen mit dichten Laubwäldern bestandene Landschaft, die im Herbst eine unglaubliche Farbentracht entwickelt. Es gibt auch offene Flächen. Moore und Seen.
Das malerische Tal begann sich vor 300–370 Millionen Jahren zu formen. Die letzten großen Umwandlungen sind vor 12–130 000 Jahren geschehen, als sich durch das Zurückweichen des Gletschers das jetzige Flusstal geformt hat. Die rötlichen, goldenen und grauen Felsen werden immer noch durch die Flussströmungen, Bäche und Quellen verändert. Der Fels Sietiņiezis ist die größte Sandsteinfreilegung im Baltikum. Bewundernswert sind die besonders malerischen Zvārtes-Felsen zwischen Cēsis und Līgatne, die Ērgļu-Felsen nördlich von Cēsis und die mit Moos bewachsenen kilometerlangen Līču-Laņģu Klippen.
Im Gauja-Nationalpark befinden sich zwei Drittel aller in Lettland bekannten Höhlen, die größte von ihnen ist die Gutmanns-Höhle bei Sigulda. Höhle und Quelle in einem ist die Lielās Ellītes-Höhle. Wenn man die Ezerala-Höhle besucht, kann man geheimnisvolle unterirdische Seen bewundern.
Fast die Hälfte der Fläche im Gauja-Nationalpark ist mit Wäldern bedeckt, hier gibt es viele Flüsse, feuchte Wiesen und Moore. Etwa 900 Pflanzenarten, 149 Vogelarten und 48 Säugetierarten haben im Nationalpark ihren Schutzraum. Es gibt viele Arten von Moos, Flechten und Baumschwämmen zu sehen. Auf den Wiesen des Gauja-Tals wachsen das Kleine Mädesüß, der Ährige Blauweiderich, die Heide-Nelke und der Bergklee. Mit ihren kleinen Blüten verziert die Schwanenblume das Tal.
Im Fluss gibt es 60 größere und kleinere Inseln, auf denen viele Vogelarten nisten. Auf den Sandbänken in den Windungen der Gauja leben der Flussregenpfeifer, der Flussuferläufer, die Reiherente, die Krickente, die Knäkente, der Gänsesäger, die Büffelkopfente, die Stockente und das Tüpfelsumpfhuhn. An den Ufern des Flusses nisten Schwalben, Eisvögel, der Weiß- und der Schwarzstorch. Im Gauja-Tal leben auch seltene Vogelarten wie der Schreiadler, der Mittelspecht, der Weißrückenspecht und der Dreizehenspecht, die Feldtaube, der Uhu, die Wasseramsel und die Gebirgsstelze.
Das Tal der Gauja ist der Lebensraum für Siebenschläfer, Otter, Elche, Hirsche, Wildschweine, Rehe, Biber, Füchse, Wölfe, Luchse, Marderhunde, Marder und Hasen.
Die vielen Höhlen und Keller, die sich in den Sandstein- und Dolomitenfelsen befinden, sind Überwinterungsorte für zwölf Arten von Fledermäusen.
In der Gauja und den Nebenflüssen leben Flussneunaugen, in den kleinsten Flüsschen Bachneunaugen. Lachse laichen in den Flüssen des Gauja-Nationalparks. In der Gauja leben auch Äschen und an den Stellen, an denen das Flussbett steinig ist, verstecken sich Groppen, Schmerlen und Flusskrebse.
Im Gauja-Nationalpark befinden sich mehr als 500 Geschichts- und Kulturdenkmäler – Burghügel, Burgen und Schlösser, Landgüter, Wassermühlen, Windmühlen, sowie andere Denkmäler der Archäologie, Architektur und Kunst. In Sigulda, Turaida und Cēsis stehen bedeutende Burgruinen. Sie wurden in ihrer baulichen Substanz soweit wieder ergänzt, dass in ihnen Kulturveranstaltungen stattfinden, unter anderen das Opernfestival in der Burgruine Sigulda.
Sigulda liegt östlich der Gauja. Durch das dicht bewaldete Flusstal führen Wanderwege zu den Burgen Krimulda und Turaida, die der Burg Sigulda gegenüberliegen. Schon lange vor dem 13. Jahrhundert verliefen durch Sigulda Handelsstraßen nach Pskov und Novgorod, die steil abfallenden Hänge begünstigten den Bau uneinnehmbar erscheinender Burgen. Der Livländische Orden schleifte die Holzburgen der Liven und Lettgaler und errichtete im 13. Jahrhundert drei mächtige Ordensburgen, die im Nordischen Krieg 1700 endgültig zu Burgruinen wurden. Heute sind sie in unterschiedlichen Zuständen: Die Burg Sigulda, der ehemalige Sitz des Schwertbrüderordens, wurde in dem Zustand belassen, den sie nach dem Nordischen Krieg hatte. Krimulda wurde durch einen Gutshof ersetzt. Turaida, der frühere Sitz des Rigaer Bischofs, wurde renoviert und teilweise wieder neu aufgebaut. Hinter der Burgruine gibt es einen schönen Aussichtspunkt. 400 Meter weiter nördlich befindet sich der „Berg der Maler“, von dem aus bedeutende lettische Maler wie Vilhelms Purvītis (1872–1945) und Janis Rozentāls (1866–1916) den Blick auf das Gaujatal und seine Burgen verewigt haben. Vor der Burgruine befindet sich das 1878 gebaute Neue Schloss.
Mit einer Seilbahn kann man über das Gaujatal nach Krimulda fahren. 1854 wurde anstelle der alten Burg ein Gutsschloss mit Nebengebäuden errichtet.
Auf einem Wanderweg gelangt man zur Gutmannshöhle mit Quelle und zur Burg Turaida mit einem Museum zur Geschichte und Archäologie. Vom Turm aus eröffnen sich schöne Ausblicke auf die Umgebung.
Im Park stehen eine sehenswerte evangelich-lutherische Kirche und das Grab der „Rose von Turaida“, der schönen Maija, die ihrer Liebe treu blieb. Sagenumwoben ist auch der nahe gelegene Berg Jelgavkalns mit dem heutigen Dainas-Park des Malers und Bildhauers Indulis Ranka (1934–2017). Die Skulpturen wurden 1985 anlässlich des 150sten Geburtstags von Krišjānis Barons, dem Archivar der lettischen Volkslieder (Dainas), der in Sigulda lebte, aufgestellt. Lange bevor die Burg der Kreuzritter gebaut wurde, befand sich auf dem Berg eine heidnische livische Kultstätte.
Ein zweiter Wanderweg führt von Krimulda durch dichte Wälder nach Süden, zu den bizarren Sandsteinformationen der Teufelshöhle am Ufer der Gauja. Weiter gelangt man zur weltbekannten Bobbahn Sigulda. Dort finden internationale Wettbewerbe statt.
Von Sigulda aus geht es in Richtung Osten nach Līgatne. Es gibt um den Ort herum Wanderwege durch dichte Wälder, die an naturnahen Freigehegen vorbeiführen. Es gibt Luchse, Bären, Wisente, Wölfe, Elche, Biber, Eulen. In Līgatne befindet sich eine 1815 gegründete Papierfabrik, heute ein Museum mit einem historischem Fabrikarbeiterdorf. In der Umgebung gehören mehrere Felsen wie Lustūzis, Spriņģu, Gūdu, und Zvārte zu Naturschutzobjekten.
Zvārtes iezis am Ufer der malerischen Amata ist einer der schönsten Sandsteinfelsen Lettlands. Hoch oben auf dem Felsen sollen dem Volksglauben nach der Teufel und Hexen wilde Feste gefeiert haben. Unterhalb des Felsens liegt die Hexenwiese, auf der seltene Kräuter gedeihen. Hier beginnen Wanderwege zu anderen Sandsteinformationen und kleineren Höhlen.
In Āraiši wurde auf einer kleinen Insel des gleichnamigen Sees eine Wasserburg der Lettgalen aus dem 9. Jahrhundert nach Christus rekonstruiert. Gegenüber der Siedlung steht die evangelisch-lutherische Kirche, die anstelle einer altlettischen Burg gebaut worden ist.
Weiter östlich befindet sich Cēsis (Wenden). Bis zum 12. Jahrhundert war Cēsis ein bedeutendes kulturelles und politisches Zentrum der Liven und Lettgaler. Ihre Länder hießen Idumeja und Tālava, und in der Region Cēsis standen 27 Burgen. Der Schwertbrüderorden errichtete 1206 gegenüber der lettgalischen Burg in Cēsis eine eigene Festung. Cēsis wurde eine bedeutende Residenzstadt des Livländischen Ordens und entwickelte sich später zu einer wichtigen Hansestadt mit eigenem Münzrecht. Unterhalb der Burgruine befindet sich ein 1812 angelegter Park und ein See mit Freilichtbühne. Die 1287 erbaute Johanniskirche war zur Zeit ihrer Entstehung die größte im Baltikum.
Nördlich von von Cēsis befinden sich am Ufer der Gauja Ērgļu klintis (die Adlersfelsen), die höchsten Klippen am Ufer der Gauja.
Westlich von Cēsis befinden sich die Wanderwege von Cīrulīši, auf denen man viel über die Flora und Fauna des Gaujatals lernen kann. Am Raiskums-See liegt ein historisches Gasthaus aus dem Jahr 1857. Weiter westlich kommt man zum Ungurezers. Nördlich des Sees liegt der Gutshof Ungurmuiža, dessen spätbarocke Gebäude aus Holz inmitten eines schön angelegten, großen Landschaftsparks mit 40 Eichen und einigen exotischen Baumarten stehen.
Das Gaujatal erstreckt sich weiter bis nach Valmiera. Von da aus kann man in einer Bootsfahrt die ganze Schönheit des Gauja-Tals flussabwärts erkunden.
Ilze Plaude