Kantate für Tenor, Bariton, Chor und Orgel "Gott, Dein Land brennt!", 1943, der Komponistin Lūcija Garūta (1902–1977)

Die Premiere der Kantate wurde vom Reitera-Chor mit Teodors Reiters am Dirigentenpult und den Solisten Mariss Vētra (Tenor) und Ādolfs Kaktiņš (Bariton) aufgeführt. Am Morgen des Konzerts stellte sich heraus, dass der Komponist und Organist Alfrēds Kalniņš, der die Orgelpartie spielen sollte, erkrankt war. Lūcija Garūta selbst ersetzte ihn – für sie als ausgebildete Pianistin war es das erste Konzert an der Orgel. Die Kantate wurde noch mehrere Male in Riga aufgeführt, aber es war die Uraufführung, die live im lettischen Radio übertragen und auch aufgezeichnet wurde.

Nach dem Krieg wurde die Komposition im sowjetisch besetzten Lettland in die Finsternis verbannt, als hätte es sie nie gegeben. Dennoch wurden Teile davon im Ausland von lettischen Chören aufgeführt. Bis 1982 wurde angenommen, dass die vollständige Version der Kantate unwiederbringlich verloren sei, da alle Aufnahmen in Lettland vernichtet worden waren. Doch der Komponist Longins Apkalns rekonstruierte die Kantate aus Material, das in deutschen Radioarchiven gefunden worden war. So wurde die legendäre Aufnahme mit dem Kriegslärm von außerhalb der Kirchenmauern 1982 mit Hilfe der Rainis un Aspazija-Stiftung in Stockholm veröffentlicht. In Lettland erklang die vollständige Fassung der Kantate erstmals wieder 1988, aufgeführt vom Chor „Ave Sol“ unter der Leitung von Imants Kokars.

Seitdem ist dieses dramatische Meisterwerk viele Male aufgeführt worden. Das A-cappella-Fragment „Vater unser“ (Mūsu Tēvs debesīs), der emotionale Höhepunkt der Kantate, wurde auch 1990 von über zehntausend Choristen beim 20. lettischen Sängerfest gesungen. Eine besonders schöne Darbietung war beim 26. lettischen Sängerfest 2018 unter der Leitung von Edgars Račevskis zu hören. 2006 sang der Rachmaninow-Chor Kiel die Kantate in der Kieler Nikolaikirche unter der Leitung von Gunther Strothmann. Ingus Pētersons (Tenor), Aivars Krancmanis (Bariton) und Aivars Kalējs (Orgel) waren aus Lettland zu Gast. Am 1. August 2008 sang der Chor die Kantate in der Alten St.-Gertrud-Kirche in Riga.

Lūcija Garūta wurde in Riga geboren und studierte von 1919 bis 1925 am Lettischen Konservatorium Klavier. Danach arbeitete sie beim Lettischen Rundfunk und unterrichtete Musiktheorie. Ab 1926 studierte sie Klavierspiel und Instrumentierung bei den berühmten klassischen Musikern Alfred Cortot, Isidor Philipp und Paul Le Flem sowie 1928 Komposition bei Paul Dukas an der École Normale de Musique de Paris. 1926 gab sie in Paris ihr Debütkonzert als Pianistin; 1929 trat sie in Berlin und Frankfurt am Main auf. Bis 1940 war sie eine der aktivsten Konzertpianistinnen Lettlands und konzertierte im Rahmen von Kammermusikkonzerten mit insgesamt mehr als hundert Musikern. Garūta starb 1977, ohne eine weitere Aufführung ihres berühmtesten Werkes gehört zu haben.

David Stasun