Boriss Bērziņš (1930–2002), "Künstler und Modell", 1985

Das beeindruckende Gemälde (140 x 108 cm) „Künstler und Modell“ schuf Boriss Bērziņš 1985, als er auf der Höhe seiner Laufbahn war und sehr gern experimentierte. Vorher ausprobierte Techniken fließen in dieses Gemälde ein: Die Silhouetten als Collagen, reliefartige Oberflächen, silberne und goldene Flächen, Lackierungen. Dieses Gemälde ist ein Beweis, dass man den Maler nicht zu einem bestimmten Stil rechnen kann. Er schuf einzigartige Bilder, in denen die Form alles bestimmt. Er verwendet unterschiedliche Materialien in einem Bild: Öl, Silberflächen und Tempera als eine Collage.

Beide Figuren sind auf dem silbernen Hintergrund reliefartig hervorgehoben, der Maler erinnert an Bērziņš selbst. Auf der linken Seite schimmert das Gemälde in Gold. Das Modell sitzt mit dem Rücken zum Betrachter, der Maler arbeitet konzentriert. Gold und Silber sind Farben, die sich auf die Ikonenmalerei beziehen. Als Kind hat er zusammen mit seiner Großmutter Gottesdienste der Altgläubigen besucht und war von den Ikonen tief beeindruckt. Später lernte er in der Kunstschule die Technik der Vergoldung kennen. Bērziņš betonte, dass zu viel Gold und Silber ein Bild schnell überstrapazieren könne, man müsse diese Farben gekonnt aufeinander abstimmen. Ihn hat das Experimentieren mit Materialien, Techniken und Farben interessiert. Er suchte stets den Weg vom Konkreten zum Ewigen, von der Klassik zum radikal Zeitgenössischen.

Boriss Bērziņš hat in einer Zeit gearbeitet, als in der Kunst der sowjetische Realismus herrschte. Man erwartete eine gegenständliche Malerei, die der damaligen sowjetischen Ideologie huldigte. Nach dem Tod von Stalin wurde der ideologische Druck etwas geringer. In den 50er Jahren des 20. Jahrhunderts begann in Riga eine neue Generation von Malern zu arbeiten, die etwas mehr experimentierten und in der Form freier waren, zusammen mit Boriss Bērziņš waren das u. a. Indulis Zariņš (1929–1997), Edgars Iltners (1925–1983), Gunārs Cīlītis (1927–2007) und Imants Lukažs (1930–2007).

Bērziņš hatte jedoch eine Außenseiterrolle, weil er die ideologischen Einschränkungen nicht akzeptieren wollte. In der Kunstwelt war es aber nicht möglich, sein Talent und seine Originalität zu ignorieren. Er war ein herausragender Maler und eine charismatische Persönlichkeit. 1930 in Riga geboren, verbrachte er seine Kindheit in der Moskauer Vorstadt von Riga. Von seinem Vater, der das Interesse des Sohns an der Malerei früh bemerkte und Boriss in die Kunstschule von Janis Rozentāls schickte, hat er auch das ländliche Leben der lettischen Familie kennengelernt. Von seiner Mutter und Großmutter gewann er das Interesse an der Kunst der Altgläubigen, einer Minderheit in Lettland, die an die Ränder des Zarenreichs und in andere Länder verdrängt wurden, um ihren Glauben praktizieren zu können. 1952 begann er das Studium an der Rigaer Kunsthochschule, in der er später auch als Dozent arbeitete. Boriss Bērziņš wurde mit internationalen Preisen für Kunst geehrt, unter anderem mit dem zweiten Cleveland-Preis der Internationalen Zeichnerbiennale in Middlesbrough, UK, (1979) und dem lettischen Spīdola-Preis der Lettischen Kulturstiftung (2000).

Das Gesamtwerk von Boriss Bērziņš ist sehr umfangreich. Er hinterließ etwa 342 Gemälde, 293 Zeichnungen, Aquarelle, Pastelle und Hunderte von Skizzen, sein Werk war in mehreren Einzelausstellungen vorgestellt. Der Großteil von seinen Bildern befindet sich im Lettischen Nationalmuseum der Künste, darunter auch „Künstler und Modell“.

Ilze Plaude