Der zehnminütige Zeichentrickfilm „Little Hawk“ („Vanadziņš“) des lettischen Großmeisters für Puppenanimation Arnolds Burovs ist das einzige Beispiel des lettischen Zeichentrickfilms, der in den Kulturkanon aufgenommen worden ist. „Little Hawk“ ist ein überzeugendes und stilistisch lakonisches Beispiel für die Fantasie der Künstler der Rigaer Schule der Puppenanimation. Der ist sowohl in seiner visuellen und dramaturgischen Form, als auch in der technischen Umsetzung das beste Werk des Genres. Es ist wie aus einem Guss gemachte emotionale Reise durch eine Parallelwelt und ein wahrhaftiges Kinoerlebnis für Groß und Klein.
Der Kurzfilm „Little Hawk“ ist die Verfilmung der Kurzgeschichte von Vilis Lācis (1904–1966) mit demselben Titel. Es erzählt von einem kleinen Jungen und seinem Vater, dem Fischer, die direkt am Meeresufer leben. Ihre Tage sind von der langsamen, täglichen Routine bestimmt. Jeden Tag begleitet der Junge – Little Hawk – den Vater ans Meer fischen und spielt selber den ganzen Tag mit seiner Katze. Little Hawk träumt davon selber Kapitän eines großen Schiffes zu werden, bis am Abend der heißersehnte Papa wieder nach Hause kommt. Die atmosphärische und bildliche Welt des Films wird aber von der bitteren Lebensrealität eingeholt, als an einem Abend der Vater nicht mehr von der See zurückkommt.
„Little Hawk“ ist ein Paradebeispiel, wie man unter Einsatz von minimalistischen Mitteln maximal philosophisches Echo in großen und kleinen Herzen erzeugen kann. Die Stimmung des Films wird bestimmt von statischen, langsamen Kompositionen, vom kühlen und zurückhaltenden Kolorit, von mit seinen alltäglichen Details sehr präzise eingerichtetem Lebensraum der Helden und von authentisch gestalteten Kostümen. Die kurze Geschichte ist poetisch leise, intim und sehr atmosphärisch. Arnolds Burovs hat die Musik in seinen Filmen immer als gleichbedeutende Handlungsfigur und als wichtige Kraft zur Atmosphäreerzeugung angesehen. Die Musik für „Little Hawk“ hat Imants Kalniņš (1941) komponiert.
In den 60er und 70er Jahren des 20. Jh. haben im Rigaer Filmstudio sowohl die Spielfilme, als auch die Dokumentarfilme ihren kreativen Höhepunkt erreicht. Der Zeichentrickfilm jedoch musste zuerst seine Nische suchen, seine Stilrichtung und die technischen Qualitäten entwickeln. Damit das gelingt, fielen in den 70er Jahren mehrere Bedingungen dafür zusammen: unter der Leitung von Arnolds Burovs wurden die bisherigen Errungenschaften von Buchillustratoren, Zeichnern, Grafikern und Set Designern mit der Tradition des professionellen Puppentheaters vereint.
Arnolds Burovs ist der Gründer und der wichtigste Vertreter der lettischen Puppenanimation. 1944 wurde er beim Puppentheater als Requisiteur und Bühnenbildner engagiert, wurde später dessen Leitender Künstler und Regisseur. Seine Erfahrung hat es erlaubt 1964 mit der Idee in die Öffentlichkeit zu treten, ein Studio für Puppenanimation zu gründen. Und so wurde seine Theatererfahrung den spezifischen technischen Anforderungen des Films angepasst. 1966 hat die Gruppe zur Puppenanimation seine Arbeit aufgenommen und den ersten Puppenanimationsfilm des Rigaer Filmstudios gedreht – den Kurzfilm „Ki-Ke-Ri-Gū!“ („Ki-Ke-Ri-Ki!“)
Schon mit seinen ersten Filmen wurde Burovs auch gleichzeitig zum Klassiker der Puppenanimation. Er hat bei mehr als 30 Filmen Regie geführt und das Drehbuch verfasst und war eine Autorität in der internationalen Trickfilmszene.
Seine Filme gehen auf seine eigene Weltanschauung zurück. In einem Radiointerview hat er seinerzeit Folgendes erklärt: „Unsere Aufgabe, wenn wir mit den jungen Zuschauern reden, ist es sowohl ihre ethische als auch ihre ästhetische Erziehung zu fördern, wir dürfen dies aber nicht in einer unverdeckt didaktischen Form ausüben. Didaktik muss man verstecken, damit man sie weder spürt noch sieht. Mit unseren Filmen wollen wir die Kinder erziehen und auf ihre Emotionen anstatt auf ihren Verstand einwirken.“
Von Elīna Reitere adaptierte deutsche Fassung nach einem Text von Olga Doļina
Der Film kann HIER gesichtet werden (mit englischen, deutschen, französischen, italienischen, russischen Untertiteln).