Rainis (1865–1929) Gedichtsammlung "Ende und Anfang", 1912, und Theaterstück "Feuer und Nacht", 1905

1865 im kurländischen Gouvernement des russischen Zarenreichs geboren, kämpft Rainis (bürgerlicher Name: Jānis Pliekšāns) gegen die geistige Enge und Zensur des zaristischen Imperiums, er ist Mitglied von „Jaunā Strāva“, einer regierungskritischen politischen Bewegung. Er wird wegen seiner Schriften in der Tageszeitung „Dienas Lapa“ verhaftet und danach in die Verbannung nach Russland geschickt. In dieser Zeit schreibt er unermüdlich weiter, zusammen mit seiner Frau Aspazija (Elza Rozenberga, 1865–1942), die ebenfalls eine berühmte Dichterin ist, übersetzt er während der Haft Goethes „Faust“. Die Übersetzung trägt maßgeblich zur Entwicklung der lettischen Sprache bei. Rainis erfindet viele neue Wörter, die in die lettische Sprache eingegangen sind.

Die meisten Gedichte der Sammlung „Ende und Anfang“ sind zwischen 1910 und 1912 entstanden, als Rainis und Aspazija im Exil in Castagnola in der Schweiz lebten. Mit Abstand zum tagespolitischen Geschehen der Heimat entfaltet sich Rainis zu einem intellektuellen Dichter. Das Ende bedeutet immer auch einen neuen Anfang. Einige Gedichte hat Rainis ins Deutsche, die Sprache seiner Kindheits- und Schuljahre, als Kurland und Livland in der Bildung und Kultur durch das Deutsche dominiert wurden, übersetzt:

Echo

Welchen Preis errang deiner Liebe Flug?
Nur Trug.

Wo ist alles, was dir heilig und wert?
Zerstört!

Wo sind deine Gärten blütenschwer?
Sie sind leer.

Wo sind deine Feuer– und Eisensöhne?
Ermordet – verhöhnet.

Über alles hinweg ging des Lebens Rad –
Mich es verschonet hat.

Nur Trümmer rings – alles musste verrinnen.
Ich werde neu beginnen.

Dieses und andere Gedichte wurden im Sammelband „Lettische Lyrik; eine Anthologie“ (Hrsg. von Elfriede Eckardt-Skalberg, Riga: Verlag A. Gulbis, 1920) in deutscher Sprache veröffentlicht.

Das Theaterstück „Feuer und Nacht“, im Revolutionsjahr 1905 geschrieben, ist das bedeutendste Stück des Symbolismus in der lettischen Literatur. Der Text gründet auf dem lettischen Volksepos „Lāčplēsis“ (deutsch: „Bärenreißer“), literarisch zum ersten Mal von Andrejs Pumpurs (1841–1902) bearbeitet. Rainis nennt es „Ein altes Lied in neuen Tönen“. Der Held Lāčplēsis kämpft um das eigene Land, symbolisiert durch seine Liebe Laimdota. Am Anfang des 20. Jahrhunderts war Lettland noch nicht selbständig, es gehörte zum russischen Zarenreich, wirtschaflich und kulturell waren Deutschbalten die herrschende Schicht. Im Kampf um die Freiheit braucht Lāčplēsis die Mächte der Liebe und des Lichts, aber auch die Kraft von Spīdola, einer Hexe, die Lāčplēsis rät: „Ändere dich stets vorwärts nach oben, so wirst du das Schicksal bezwingen!“ („Mainies zu augšu, tu likteni pārspēsi!“). Die Symbole von Rainis sind nie schwarz-weiß, gerade die Hexe Spīdola ist die alles verändernde Kraft, die Lāčplēsis zwingt, durch die Veränderung vorwärts zu kommen, weil der Kampf gegen den schwarzen Ritter nie zu Ende gehen wird: „Nur wer sich ändert, wird bestehen“ („Pastāvēs, kas pārvērtīsies“).

Als Rainis und Aspazija 1920 vom Schweizer Exil ins unabhängige Lettland zurückkehren, wird die Aufführung von „Feuer und Nacht“ zum Riesenerfolg. Das Theaterstück wurde vielfach aufgeführt, zuletzt 2015 von Viesturs Kairišs.

In deutscher Sprache sind auch die Theaterstücke „Dünawind“ („Pūt, vējiņi!“) (übertragen von Elfriede Eckardt-Skalberg, Riga: A. Gulbis Verlag, 1927), „Joseph und seine Brüder“ („Jāzeps un viņa brāļi“) (übersetzt von Aspazija, Riga: A. Gulbis Verlag, 1921) und „Das goldene Ross“ („Zelta zirgs“) (übersetzt vom Autor, Riga: A. Gulbis Verlag, 1922) erschienen.

Rainis und Aspazija sind mehrere Museen gewidmet, in Jūrmala, Jāņa Pliekšāna iela 5/7, in Riga, Baznīcas iela 30, in den Heimatorten von Rainis Jasmuiža und Tadenava und in seiner zweiten Heimat Castagnola in der Schweiz.

Im Jahr 1965, dem Jahr seines 100. Geburtstags, wurde ein Rainis-Denkmal (Bildhauer Laimonis Blumbergs und Aivars Gulbis) auf der Esplanade in Riga aufgestellt. Einmal jährlich im September finden vor dem Rainis-Denkmal Poesietage statt. Die Gedenkmünze von 2005 erinnert an den Dichter und sein Werk.

Ilze Plaude