Lied "Pūt, vējiņi", 1884, für gemischten Chor, arrangiert von Andrejs Jurjāns (1856–1922)

Unter den kreativen Leistungen dieses herausragenden lettischen Musikers ist die Bearbeitung des Liedes der Daugava-Schifffahrer „Pūt, vējiņi“ (Blase, Wind) hervorzuheben. Dieses Arrangement schrieb er für einen vierstimmigen gemischten A-cappella-Chor in B-Dur in scheinbar einfacher diatonischer Harmonisierung über acht Takte.

Von den 94 Volksliedern, die Jurjāns arrangierte und veröffentlichte (24 für Solostimme mit Klavierbegleitung, 47 für gemischten Chor und 23 für Männerchor, dazu etwa 25 Arrangements fast identischer Melodien für Kinderchor), war „Pūt, vējiņi“ tatsächlich die allererste vom Komponisten arrangierte Melodie, die 1884 im ersten Band der Sammlung „Lettische Volkslieder für gemischten Chor mit Klavierbegleitung“ in Riga veröffentlicht wurde. Dies war jedoch nicht die A-cappella-Version. Diese erlangte erst beim 5. lettischen Sängerfest am 20. Juni 1910 Beliebtheit, als der gemeinsame gemischte Chor unter der Leitung des Komponisten selbst dieses lyrisch-romantische Volkslied erstmals aufführte.

Es sollte der Beginn der Unsterblichkeit von „Pūt, vējiņi“ sein, das auf praktisch allen nachfolgenden lettischen Sängerfesten und Hunderten von Liedertagen gesungen wurde, sowohl in Lettland als auch nach dem Zweiten Weltkrieg bei Konzerten lettischer Chöre in Amerika, Australien und Europa. Genau wie im besetzten Lettland, so wurde dieses kanonische Lied auch im Ausland zu einem symbolischen Ersatz für die in der Sowjetunion verbotene lettische Nationalhymne. Als solches spielte es eine wichtige Rolle für das dritte Nationale Erwachen und die Singende Revolution Ende der achtziger Jahre; oft wird es spontan als patriotischer Ausklang am Ende zahlloser volkstümlicher Ereignisse gesungen.

Dank der internationalen Erfolge des Reitera-Chores von Teodors Reiters und Ādolfs Ābeles „Dziesmuvara“ aus der Vorkriegszeit sowie vieler Nachkriegschöre erkennen viele ausländische Chöre „Pūt, vējiņi“ (und singen es manchmal in lettischer Sprache), auch wenn sie die Rolle von Jurjānu Andrejs bei der Bearbeitung dieses Meisterwerks der lettischen Folklore nicht kennen.

David Stasun