Der Dichter und Schriftsteller Eriks Ādamsons veröffentlichte Mitte der 30er Jahre seine ersten Erzählungen, die sich von allem, was bis dahin in der lettischen Literatur geschrieben wurde, wesentlich unterschieden. Ādamsons schrieb mehrere Gedichtbände und die Novellensammlungen „Feine Gebrechen“ („Smalkās kaites“, 1937) und „Der große Dickkopf“ („Lielais spītnieks“, 1942). Als programmatische Überschrift seiner Literatur kann eine Zeile aus seiner Lyrik dienen: „Gott spielt mit mir“ („Tas kungs ar mani rotaļājas“). In seiner Prosa hat der Held keine Macht über sich selbst und darüber, was um ihn herum passiert. Der Herr spielt seine göttlichen Spiele, an die Stelle von Gott tritt hier der Autor. Nur der Zufall bestimmt alles, nichts geschieht folgerichtig. Ādamsons akzentuiert das Einzigartige, das Andere, damit wird er selbst zum Außenseiter in der lettischen Literatur.
Der Titel „Feine Gebrechen“ ist Programm, eine Metapher für die damalige Generation. Die feinen Gebrechen sind traurige, groteske Abweichungen in der Psyche der Personen, es sind seltsame, aufsässige Ideen, die einen plötzlich überfallen und das Leben radikal verändern oder gar beenden. In „Fall des Abakuk“ lehnt sich ein Buchhalter plötzlich gegen sein normales, geordnetes Leben auf, wird seltsam und stürzt sich in den Tod, indem er in den Schacht eines noch nicht gebauten Aufzugs springt, wie vor ihm ein Holzspielzeug. In den Novellen von Ādamsons wird die Ironie häufig zur Tragik. Genau anders herum verhält es sich in der Novelle „Ritt auf einem Löwen“. Der Historiker Teodors Alpers erlebt einen Anflug von unbegründeter Eifersucht, er quält sich und durchlebt dabei fast die ganze europäische Kulturgeschichte. Alles endet mit einer karnevalesken Szene am Karussell, die Tragik erlischt und wird zur Komik.
Auch in anderen Novellen von Ādamsons geht es um Zwänge und Wahnvorstellungen. In der Novelle „Im Lichte der großen Reinheit“ wird die Moral einem wahnhaften Wunsch nach körperlicher Sauberkeit untergeordnet. In der Novelle „Hungerspiel“ wird ein Soldat fast magersüchtig, weil er daran glaubt, dass er nur so zu einem besseren und feineren Menschen im Vergleich zu seinen Kameraden wird. Er stirbt beinahe. Alles endet in der Einsicht, dass es nur eine lächerliche Einbildung war.
Wahrscheinlich beeinflusst von Oscar Wilde schreibt Ādamsons die Novelle „Das falsche Bildnis“. Ein Künstler malt den im Krieg verschollenen Hausmeister Freibergs. Um dessen Frau eine Freude zu machen, malt er Freibergs viel schöner, als er in Wirklichkeit ist. Als Freibergs doch noch nach Hause zurückkehrt, fällt er in Eifersucht. Er glaubt, einen Liebhaber seiner Frau auf dem Bild zu erblicken. Er ersetzt das Bild durch sein eigenes Foto. Das gemalte Porträt gewinnt auf einer internationalen Ausstellung den ersten Preis. Kunst für die Kunst, dem Menschen Freibergs bleibt das Menschliche.
Die Kurzprosa von Eriks Ādamsons ist ein Zeugnis, dass die Moderne auch in der lettischen Literatur angekommen ist. Während der sowjetischen Besatzung wäre es unmöglich gewesen, so zu schreiben. Ādamsons stirbt kurz nach dem Zweiten Weltkrieg. Die Tradition, die er begonnen hatte, lebte im Westen in den Werken lettischer Exilautoren (vor allem Anšlavs Eglītis) weiter.
In deutscher Sprache sind auch Gedichte von Ādamsons erschienen, im Band „Lettische Lyrik. Die baltische Bücherei, Band 4“ und übersetzt von Elfriede Eckhard-Skalberg (Hannover-Döhren: Verlag Harro von Hirscheydt, 1960).
Helle
Spinne spinnt weiß in hellen Blüten,
weiß läuft im Schnee das Hermelin.
Ich will des Wegs – Gott nimmts nicht übel –
Nur auf der hellen Seite ziehn.
Wenn Dunkel über mich sich breitet
Von großen Kümmernissen schwer,
so fliegt die Seele gleich der Meise
mit Leichtigkeit darüber her.
Und wiegen Trauerweidenzweige
Zur Nacht die Seele mir zur Ruh,
wird wie in hellster Zeit sie steigen
dem Licht der Morgendämmrung zu.
Ēriks Ādamsons schrieb auch Kinderbücher in Versen „Das Zigeunermädchen Ringla” („Čigānmeitēns Ringla“) und „Der Kokle-Spieler Samthose” („Koklētājs Samtabikse“). Sein einziger Roman „Sava ceļa gājējs” wurde 1943–44 in Zeitschriften veröffentlicht. Im Jahr 1944 erhielt er den Preis der Rainis- und Aspazija-Stiftung.
Ilze Plaude