Die Töpferkunst in Lettland wurde im Laufe der Jahrhunderte vor allem in den Regionen Kurland und Lettgallen entwickelt. Insbesondere die lettgallische Töpferei ist als bedeutendes Kulturgut bis heute erhalten. Die stilistische Breite der Töpferkunst reicht hierbei von der Nutzung traditioneller Erdtöne bis hin zu neuesten Glasurtechniken. Die Erzeugnisse sind minimalistisch bis barock ausgeschmückt. Viele archäologische Funde bezeugen die jahrhundertealte Tradition der Töpferkunst in der Region.
Das Töpfereihandwerk in Lettgallen beschreitet im Wesentlichen zwei Entwicklungslinien. Zum einen eine ältere, praktisch orientierte Linie, zum anderen die Herstellung von dekorativen Gegenständen. Im Rahmen von Ausgrabungen in der Region wurden zahlreiche Zeugnisse für das althergebrachte Handwerk gefunden. So zeigt sich, dass Erzeugnisse zum Zubereiten und zur Aufbewahrung von Speisen durch den Lauf der Zeiten in ihren charakteristischen Formen erhalten geblieben sind, wie beispielsweise Kochtöpfe (lett. vāraunieks), Honigtöpfe (lett. medaunieks) oder der Töpfe zur Aufbewahrung von saurer Sahne (lett. ķērne). Außerdem waren besondere Gefäße zum Transport von Speisen zur Versorgung der Arbeiter auf den Feldern verbreitet (lett. pārosis). Neben all diesen traditionellen Erzeugnissen wurden auch dekorative Nutzgegenstände hergestellt, die nicht ausschließlich dem Umgang mit Speisen und Getränken dienten, wie beispielsweise Teller oder Kerzenständer (lett. svečturis).
Auch wenn die traditionelle Töpferei mit ihren schlichten handwerklichen Methoden und den dunklen Farbtönen sich nach wie vor großer Beliebtheit erfreut, hat sich seit den 1930er Jahren verstärkt der Einsatz von Glasuren und Ornamenten zur Dekoration der Erzeugnisse entwickelt und verbreitet. Die heute in Lettgallen aktiven, jüngeren Töpfereihandwerker sorgen nicht nur für den Erhalt des kulturellen Erbes, sondern experimentieren auch verstärkt mit innovativen Formen.
Noch heute findet man verschiedene Töpferfamilien in der Region, in denen das Handwerk und der Handel mit Keramikwaren über Jahrzehnte von Generation zu Generation weitergegeben wurden. Es ist heute aber auch für Außenstehende möglich, das Handwerk von den alten Meistern zu erlernen. Hierzu werden Meisterklassen oder Sommercamps angeboten. Ein Beispiel hierfür ist die Lettgallische Töpferschule, die 1990 gegründete Pūdnīku skūla, in der traditionelle Methoden der Lehmverarbeitungen erforscht werden. Hier werden die Töpfereiprodukte in holzbeheizten Brennöfen chemisch reduziert, um den typischen schwarzen Farbton zu erzeugen. Auf diese Weise erhält jedes Stück eine individuelle Färbung. Diese und andere Schulen dienen dem Erhalt der langjährigen Traditionen. Hier werden Arbeitsmethoden erforscht und ausprobiert. Man kann traditionelle Methoden des lettgallischen Töpferhandwerks mit seinen Besonderheiten erlernen, wie etwa die Reduktion im Keramikbrand ohne die Verwendung industrieller Methoden. Hierzu wird die Keramik im Brennofen mit Holzfeuer gebrannt, was jedes Mal zu unterschiedlichen Brennergebnissen führt.
Die lettgallischen Keramikprodukte werden auch im Rahmen vieler Ausstellungen im Land gezeigt. Über ihre Ursprünge und Entwicklungen kann man sich am besten in der Region Lettgallen selbst informieren und dort auch Erzeugnisse jeder Art erwerben. So kann man im Kunsthandwerkszentrum Ludza (Ludzas amatniecības centrs) oder auch im Zentrum für Keramikkunst Daugavpils (Daugavpils Māla mākslas centrs) umfangreiche Informationen über die Traditionen der Töpferkunst in Lettgallen erhalten.
Jens Grabowski